Am Brunnen vor dem Tore


I. Brünnlein, Brünnlein fließe

Wasser ist kostbar – und WissensDurst will auch gestillt sein. Also begannen wir einen alten, längst verschüttgegangenen Brunnenschacht wieder zu öffnen. Eimer für Eimer nach oben, um Knöcheltiefen nach unten, dem Brunnen mählich auf den Grund gehend.


Das schwarze Brunnenloch kann man lange befragen, konstatiert Durs Grünbein resigniert in einer Gedichtzeile. Auch unser Brunnenschlund hat nicht mit tiefer Stimme orakelt und geweissagt – und dennoch konnten wir ihm ein paar kleine Geheimnisse entlocken.

II. „Ahnenforschung“ Werkstraße 6 = Flurstück 2038/34

Anhand der Katasterauszüge im Landesarchiv Speyer, und dort mit tatkräftiger Unterstützung von Herrn Norbert Heine, sowie den Daten von Frau Schuhmacher seitens des Grundbuchamtes, kann für die Zeit von 1811 bis heute folgende Listung vorgenommen werden:

 

 

seit Besitzer 1811        Peter Anton Boetz (Rentmeister) 1847/1848      Bleichroth, Georg Heinrich 1857/1858 Kirrmeier, Josef (Lohnkutscher) → seit 1861 Kirrmeier Witwe (geb. Krieg) 1875 Velten, Karl Friedrich (Gärtnerei, Samenhandlung) 1901/1902 Waisenhaus Speyer 1937 Deutsches Reich/Reichspost (→ 1956 BRD/Deutsche Bundespost) 1967 Rhenania GmbH (Landmaschinen) 2006Steinwelten GmbH (Natursteine)

III. Schriftliche und mündliche Überlieferung

Im Stadtarchiv Speyer existiert eine Aktensammlung (AZ:45-04), überschrieben mit Wasser-, Gas- und Stromversorgung, welche u.a. ein Verzeichnis der im Stadtbezirk Speyer vorhandenen Wasserversorgungsanlagen enthält. Einem Kommentar von Frau Hopstock, der ebenfalls herzlich gedankt sei, ist zu entnehmen, dass das besagte Verzeichnis wohl gegen Ende der 20er Jahre (doch spätestens 1934) angelegt wurde, als nur noch wenige Brunnen in Betrieb waren. Dort finden sich, in der letzten Zeile einer größeren Tabelle, folgende Angaben:

 

Bezeichnung und Ort der Anlage:
Rhenania, landwirtschaftliche Maschinenfabrik, Werkstraße
Art der Anlage:
Brunnenanlage (Quellwasser)
Versorgungsgebiete:
Fabrikanwesen (gewerbl. Zwecke und zum menschlichen Genuss)
Untersuchungstermine (wie oft?):
Eine Untersuchung findet nicht statt, da ausschließlich zu gewerblichen Zwecken verwendet.
Bemerkungen:
Die Anlage sollte mögl. bald untersucht werden. Jährliche Untersuchung dürfte am Platz sein.

 

 

Kaum mit der Recherche begonnen und den gesuchten Brunnen bereits gefunden? So scheint es. Doch bei der beschriebenen Anlage muss es sich um eine andere handeln. Dazu muss man wissen, dass die Fa. Rhenania zunächst nur ein Grundstück westlich der heutigen Werkstraße besaß, welches im Adressbuch der Stadt Speyer im Jahre 1928/29 - der erstmaligen Nennung der Werkstraße selbst - als Nr. 1 (mit nur drei weiteren Anwohnern) geführt wird. Erst 1967 (siehe oben) erwarb sie das gegenüberliegende Grundstück östlich der Werkstraße - früher ebenfalls der Nr.1 zugesprochen, heute offiziell Nr. 6. Demnach kann der im Jahre 2008 neu entdeckte Brunnen in der Werkstraße 6 nicht identisch sein mit dem oben gelisteten, wobei dessen Verbleib noch zu erkunden wäre. Bleibt noch zu erwähnen, dass bei Übernahme des neuen Areals durch die Fa. Rhenania, so belegt durch Aussagen Herrn Stegners, seit 1953 zur Firma gehörig, sowie gleichlautenden Aussagen anderer Anrainer, trotz Planierung und Aufschotterung kein Brunnen in der Werkstraße 6 wahrgenommen wurde. So erhalten wir einen ersten Hinweis, dass der Brunnen und die darin enthaltenen Gegenstände aus der Zeit vor 1967, oder gar vor 1953, stammen müssen („terminus ante quem“).

 

[demnächst mehr zu Architektur, Inhalt und Datierung des Brunnens]